Archiv | September 2013

Ungarn ist (auch) für Flüchtlinge unzumutbar

ungarnAsylbewerber_innen und Flüchtlinge sind in Ungarn menschenunwürdigen Bedingungen ausgeliefert. Das müssen inzwischen auch Gerichte im Ausland in ihren Urteilen in Rechnung stellen.

Mit Beschluss vom 28. August verbot das Freiburger Verwaltungsgericht die Rückschiebung eines afghanischen Flüchtlings nach Ungarn, woher er gekommen war. Es sei ernstlich zu befürchten, dass Asylbewerber_innen unter den wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen in Ungarn insbesondere auch mit Blick auf den bevorstehenden Winter nicht menschenwürdig existieren könnten, hieß es zur Begründung. Es sei nämlich nicht ersichtlich, dass Ungarn seinen Verpflichtungen gemäß den Richtlinien der Europäischen Union nachkomme. Ein Verstoß gegen das Verbot unmenschlicher Behandlung gemäß Artikel 4 der EU-Grundrechtecharta liege daher nahe.

Der »für die Beteiligten nicht anfechtbare« Beschluss macht nicht zum ersten Mal auch im Ausland auf die katastrophalen, menschenunwürdigen Umstände aufmerksam, denen Asylbewerber_innen und Flüchtlinge in Ungarn unterworfen sind. Zur ungarischen Flüchtlingspolitik gehören, so haben auch österreichische, niederländische, belgische, schweizerische und französische Richter festgestellt, häufig Misshandlungen oder ärztliche Zwangsbehandlungen. Wie diese Politik ansonsten in der Praxis wirkt, zeigt die Beschreibung verschiedener Beispiele auf der Homepage der Migráns Szolidaritás Csoport (Migrantensolidaritätsgruppe). Unbescholtene Flüchtlinge, die sich keinerlei Vergehen haben zuschulden kommen lassen, wurden von den Behörden ohne Begründung festgenommen. Ihnen wurde lediglich mitgeteilt: »So ist jetzt die Bestimmung.« Sie erhielten keinerlei Aufklärung darüber, wie lange sie eingesperrt werden und was sie nach ihrer Entlassung erwartet. Bei der Verhandlung hatten die Flüchtlinge keine Gelegenheit, ihre Argumente vorzutragen, weil der/die Dolmetscher_in nur die Sätze des/der Richters/Richterin übersetzte, nicht aber das, was die Flüchtlinge vorbrachten. Der/die behördlich zugewiesene Rechtsanwalt_in legte kein einziges Wort im Interesse der Flüchtlinge ein. Im Gefängnis hatten die Eingesperrten so gut wie keine anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen können, obwohl laut Gesetz jedem Betroffenen das Recht auf kostenlose Rechtsberatung zustünde. Dafür fanden die Inhaftierten in ihren Speisen Würmer. Daraufhin begannen sie einen Hungerstreik, in dessen Verlauf ärztliche Betreuung nur erfolgte, wenn Betroffene in Ohnmacht fielen.

Der erwähnte afghanische Flüchtling gehörte zu einer Gruppe, die im Sommer dieses Jahres nach Deutschland geflüchtet war. Zuvor waren die Betroffenen in Ungarn von der Polizei aufgefordert worden, das überfüllte Flüchtlingslager, in dem sie bis dahin gelebt hatten, binnen acht Tagen zu verlassen. Familien mit Kleinkindern wurde die vom Gesetz vorgeschriebene alternative Unterkunft nicht zugewiesen. Außerdem wurde ihnen ohne jede Begründung die weitere finanzielle Unterstützung verweigert. Das hätte für sie bedeutet, auf der Straße zu wohnen, was in Ungarn aber laut Verfassung verboten ist. Daraufhin hatten im Juni 71 Flüchtlinge beschlossen, Ungarn zu verlassen und unter Berufung auf humanitäre Gründe ein neues Asylgesuch in Deutschland zu stellen.

Ungarn behandelt Ausländer_innen seit 1990 allgemein miserabel. Das gilt selbst für hochkarätige Arbeitnehmer_innen aus der EU oder den USA. Bekannt ist, dass sogar Universitätsprofessor_innen in einigen Fällen acht Jahre lang keine Sozialversicherungsnummer und damit keine Versorgung bekamen, obwohl die Kranken- und Rentenversicherung sehr wohl vom ersten Monat an von ihren Gehältern abgezogen worden war.

Die Situation von Flüchtlingen und Asylbewerber_innen ist naturgemäß ungleich schlechter und ungerechter. Die Regierung unter Viktor Orbán reagierte jüngst auf den langsam wachsenden europäischen Druck keineswegs mit Bemühungen, die von Ungarn formal eingegangenen internationalen Verpflichtungen einzuhalten, sondern im Gegenteil wieder einmal mit der Verschärfung der Bestimmungen. Unter anderem wurde ein neues Rechtsinstrument, die »Asyl-Verwahrung« (also Inhaftierung) eingeführt. Die Gründe für die Anwendung sind derart weit gefasst, dass es einem Freibrief für Haft ohne Begründung gleichkommt. Wenn der Asylantrag auf dem Flughafen gestellt wurde, kann monatelange Haft verordnet werden, um die öffentliche Ordnung zu schützen, um Informationen für das Asylverfahren zu erhalten oder um die Identität des Flüchtlings festzustellen.

Die Regierung setzt demnach alles daran, nicht nur hilfsbedürftige Staatsbürger_innen als vermeintliche Last, ja, als Feind_in der Nation auszugrenzen. Die Rechtsinstrumente zur massiven Kriminalisierung der Bürger_innen und der Flüchtlinge werden stetig ausgebaut und überschreiten das in anderen europäischen Staaten Übliche bei weitem.

Link zum Artikel

Dublin-II-Fälle: Überstellungsfristen im Falle von Kirchenasyl

Deutschland – In einer Antwort auf eine kleine Anfrage der Bundestagsfraktion Die Linke (BT-Drucksache 17/13724) äußert sich die Bundesregierung auch zum Thema Kirchenasyl für Dublin-II-Flüchtlinge: „Anlässlich einzelner Fälle, in denen die Antragsteller zur Vermeidung einer Dublin-Überstellung sich ins Kirchenasyl begeben hatten, wurde [bei der Ausländerrefentenbesprechung im Frühjahr 2013] die Frage aufgeworfen, ob in solchen Fällen die Überstellungsfristen gemäß der Dublin-Verordnung unverändert bleiben oder sich verlängern, wie es bei Untertauchen der Fall ist (Artikel 19 Absatz 4 und Artikel 20 Absatz 2 der Dublin-Verordnung). Das BAMF erklärte, dass in Fällen, in denen das Kirchenasyl den zuständigen Behörden rechtzeitig noch vor dem Zeitpunkt der geplanten Überstellung mitgeteilt wird, kein Untertauchen vorliegt, so dass die Frist unverändert bleibt.“

27.09.-29.09. Forum on Refugee and Migrant Struggles

27.09.-29.09. Forum on Refugee and Migrant Struggles 

In Afro-Asian Institute and Serviten Monastery, Vienna

Discussions, Presentations, Workshops, Public Actions

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>>> Day 1 <<< 

Friday, 27. 9., 15:00 – 21:00 

Afro Asian Institute, Türkenstrasse 3, 1090 Vienna

Main Hall- Ground Floor

 

Refugee Protests and EUropean Citizenship: 

Non-Citizen Struggles producing a new Radical Europe. 

Presentations and discussions with activists from various European protest movements: Refugee Protest Camp Vienna (A), MigSzol (HU), The Voice (D), Refugee Strike Berlin (D), Refugee Protests in Poland. Tbc: Refugee Tent Action (D), San Papiers Collective Paris (FR), Asante (GR), Refugee Protests in Bulgaria.

>>> Day 2 <<<

Saturday, 28. 9., 11:00 – 19:00 

Serviten Monastery, Müllnergasse 6, 1090 Vienna

 

Towards a Common Language, Common Claims and Common Space: 

Forms of Refugee and Migrant Resistance. 

Presentations and discussions on transnational organization, publicity and demands, followed by workshops.

11:00-14:00, Presentations and Discussions

• On Organization:

The Worldhouse, a center for undocumented migrants in Amsterdam develops forms of activism which combine support and visibility. The passport of Amsterdam, a booklet including the rights and services concerning undocumented inhabitants of Amsterdam is one example of this approach. Another approach is given by the Dutch Labour Union who accepts undocumented cleaners as members and activists for their campaign “Schoon Genoeg”, too. Presentation by Evelyn Schwarz, Worldhouse, Amsterdam.

 

• On Publicity and Media

Which strategies have been used to reach visibility? Which media have been used or newly created by different movements? Has visibility in mainstream media and in society in general been a goal, and, if yes, how has it been reached? Which forms of action have we used to show our resistance in the streets? Presentation by activists from Copenhagen (DK) from the Kirkeasyl protests (2009) and the current campaign “Her Er Plads”. 

 

• Demands to the EU

In June 2014, elections to the EU Parliament will take place. Many of the demands of refugee movements address the EU level, e.g. with regard to Dublin II/III regulations. The refugee movement in Berlin has started to collect these demands as a preparation for a campaign within the framework of the European Parliament elections. Presentation and discussion.

15:00-19:00, Workshops

• Towards Common Language (Publicity)

We are surrounded by structural violence that attacks human dignity each day, the new Goliath. But our strength is our weakness. We will collectively use our bodies through simple theatrical techniques of human statues and comics, preparing to defeat Goliath. Against Goliath is a technique of the Theater of Hearing (Teatro de la Escucha). Born 20 years ago in Spain, its roots are in the Pedagogy and the Theater of the Oppresssed, non-violence struggles and many    different social and political theaters from all over the world. Workshop lead by Zuzanna Gawron (PL)

 

• Towards Common Claims (Demands)

On the base of hitherto work by the refugee movement in Berlin we shall collect transnational demands to be addressed to the European Parliament and search for adequate forms for a campaign in the run-up to the European elections 2014. Lead by Monika Mokre (A).

 

• Towards Common Space (Organization)

Participants come together for an open debate on achievements and failures of refugee movements and migrant struggles. We want to share our practices and learn from each other; discuss relationships between Citizens and Non-Citizens, refugees and supporters in the movements; improve our local strategies and think of developing transnational tools for future steps. Lead by Evelyn Schwarz (NL) and Somah Ibrahimi (AF).

 

The three workshops will take place in parallel. 

Register until 27th September indicating which workshop you would like to attend: ReemphasisCampaignSignup@gmail.com

 

>>> Day 3 <<< 

Sunday, 29. 9., 11:00 – 15:00 

Afro Asian Institute, Türkenstrasse 3, 1090 Vienna

Main Hall- Ground Floor

 

Open plenary debate on future steps 

followed by a public action

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All inputs and discussions will be held in English. 

More information:

refugeecampvienna.noblogs.org

re-emphasis.blogspot.com

wienwoche.org/2013/en/231/re-emphasis

NO BORDER, NO NATION, 

STOP DEPORTATION!

TOGETHER WE WILL RISE!

Refugees at Servitenkirche commemorate bomb blast victims‏

Die Aktivisten aus dem Refugee Protest Camp Vienna waren heute in der Servitenkirche, um an die 75 Toten des gestrigen Bombenanschlags in Pakistan zu gedenken. Und um die Innenministerin noch mal daran zu erinnern, dass sie mit ihrer Politik mit dem Leben von Menschen spielt.

kranz
Im Gedenken an die Opfer von Krieg, Terror und Verfolgung in Pakistan – Kranzniederlegung einen Tag nach dem Anschlag auf eine Kirche mit über 75 Toten.
FOR ALL THOSE WHO HAVE LOST THEIR LIVES IN PAKISTAN THROUGH WAR, TERROR AND PERSECUTION – Refugees at Servitenkirche commemorate the victims in the country they have fled.
More photos on flickr

Räumung der Votivkirche durch Polizei erfolgt, Refugees planen Kranzniederlegung

September 22, 2013

Refugees nehmen Stellung zu ihrer Schutzsuche in der Votivkirche und kündigen für Montag Kranzniederlegung in Gedenken an die Opfer des Anschlags auf Christ*innen in Pakistan an.

Am Sonntag suchten 17 Refugees erneut Schutz vor drohenden Abschiebungen in der Votivkirche. Sie wollten damit auf die Situation von ihren Mitstreitern aufmerksam machen, die Ende Juli nach Pakistan abgeschoben wurden: zwei von ihnen wurden festgenommen, zwei müssen sich vor der Verfolgung durch Geheimdienste verstecken. Sie möchten erneut an die österreichische Öffentlichkeit und Politik apellieren, ihre Schutzsuche in Österreich ernst zu nehmen. “Wir können nicht mehr warten. Die österreichische Regierung versicherte uns bereits Anfang März Gespräche, auf die wir immer noch warten. Man versprach uns Schutz, doch man schob 8 von uns ab.”, so Khan Adalat. Die wiederholte Äußerung der Innenministerin via Aussendung, die Refugees wären “Wirtschaftsflüchtlinge”, konnten die Refugees nicht fassen: “Die Ministerin zeigt wieder, wie wenig sie die Situation in unseren Ländern kennt. Wenn tote Familienmitglieder, Folter und Gewalt für sie ökonomische Fluchtgründe sind, dann verhöhnt sie uns und zeigt, wie wenig ihr die Leben von Schutzsuchenden in Österreich wert sind”, so Mir Jahangir.

Bild: SN/EPA

Bild: SN/EPA

Am gleichen Tag starben in der pakistanischen Stadt Peshawar über 75 Menschen bei einem Bombenanschlag auf eine Kirche. “Wir trauern um die Verstorbenen und fühlen mit allen Angehörigen mit. Es ist ein weiteres Zeichen für die gewalttätige Eskalation der Situation in Pakistan seit den Wahlen. Wir werden morgen (Montag, 23.9.) um 11:30 vor der Servitenkirche einen Kranz in Gedenken an die Verstorbenen niederlegen und laden alle dazu ein, die unsere Solidarität und Sorge teilen”, schließt Mir Jahangir ab.

Re-emphasis: Refugee Forum

On the 27th of June 2013, representatives from Oranienplatz/Berlin arrived in Vienna to establish a transnational network between the various refugee struggles within EUrope. Aside from Austria, they linked up with different initiatives in Italy, France and Belgium. A call was made, to initiate a transnational refugee protest movement for the preparation of a collective uprising in Spring 2014, just before the EU parliamentary elections.

kein mensch ist illega

Facebook_Refugee Protest Camp

We, refugee-activists and supporters from Vienna, support this call and would like to offer the next step. Come the 27th – 29th September 2013, a social forum will take place in Vienna (Afro-Asian Institute and the Serviten monastery), its intent is to connect representatives from various refugee protests and initiatives in EUrope. To come together, plan and create possible steps and strategies to prepare for the collective uprising in 2014.

Activists from refugee movements within Austria and the EU will be contributing to panels, workshops and discussions. The forum will be free and open to the public, with the request of registration for workshops. It will be broadly announced via journalists and social media with a special focus on parts of the Austrian political and civil society landcape hitherto not involved in the refugee movement and on refugees and migrants in Austria.

In order to make this forum happen we need your participation. Thus, we ask refugees and supporters from EUropean refugee movements to join us for this event.

Please, register for participation until the 25th of September at:
reemphasiscampaignsignup at gmail.com

Let’s share our experiences! Let’s develop common strategies!
Let’s use the elections to the European Parliament
for a broad EUropean mobilization!

We shall rise!

re-emphasis.blogspot.co.at

Rise together!

20.9.2013

Rise Together! Conference program

21.9.2013, 10:00 am
HÖRSAAL 2, NIG (Neues Universitätsgebäude)
Universitätsstr. 7, 1010 Wien

On the day after the demonstration we want to gather for talks and discussions. We want to push the refugee protest forward, not only by
increased visibility in the streets but also by exchanging knowledge and ideas. To make this possible we call for the Rise Together! Conference.

Three sessions will focus on topics of concern for anti-racist struggles:
1. The first talk will focus on migration and the European attempts of regulation.
2. The second will provide a look at the upcoming new Dublin III regulation that promises a „Common European Asylum System“.
3. The third and last session opens the question how people with European passports can support protesting refugees – and how they should not.
Between the talks there will be time for discussions, to get to know each other and exchange ideas.

All sessions will be held in English and will take place at HS 2 at NIG
(Neues Instituts Gebäude) at the University of Vienna (Universitätsstr. 7, 1010 Wien).

Kick-off is at 10 am.

10.00 am – A shrinking society is afraid of immigration
Input and Discussion with Peter Marhold (Helping Hands)

The wall around an „Area of freedom, security and justice“ is growing.
Useful concepts on migration are blocked by national egoism, the common denominator is just an asylum system the member states want to get rid
of, but without loosing their influence. A common migration strategy allowing for real freedom of movement within Europe is far away.

12.00 am Lunchbreak

01.00 pm – Dublin II & III – Struggels around Asylum and Deportation in Europe
Input and Discussion with David (NoBorder Frankfurt)

Dublin II and III are regulations, that distribute the responsibility for asylum procedures between the european Memberstates. They deny
asylum seekers the right to choose the state in which their asylum claim is processed. The Dublin Regulation is enforced by a repressiv system
consisting most obviously of the biometric fingerprint database Eurodac and the huge number of innereuropean deportations. This presentation
shall discuss the political ideas at the base of the Dublin Regulation as well as the funktions, that the regulation plays in the european
migration- and borderpolitics. Apart from this, the interests of different political acteurs concerning the regulation as well as
conflicts and struggels around it shall be another topic of the presentation.

03.00 pm – How can Citizens support Non-Citizens?
Discussion via Skype with Non-Citizens & Citizens from Refugee Protest Munich, Germany.

ALL INPUTS AND DISCUSSIONS WILL BE HELD IN ENGLISH.

NO BORDER! NO NATION! WE WILL RISE

Ceuta: 300 Flüchtlinge umschwimmen EU-Grenzzaun

300 subsaharische Flüchtlinge haben heute morgen (17.09.2013) versucht, von Marokko aus schwimmend die Exklave Ceuta (Spanien) zu erreichen. Ceuta ist wie Melilla von hohen EU-Zäunen umgeben, die bis ins Meer reichen. Mindestens 91 Flüchtlingen soll die Flucht bis an die Küste von Ceuta gelungen sein.

Weiter subsaharische Flüchtlinge haben versucht die EU-Grenzzäune zu überklettern, oder auf Booten nach Andalusien überzusetzen. 12 Flüchtlinge sind auf der Flucht ertrunken. Ca 260 Flüchtlinge haben es bis nach Spanien geschafft. Viele andere wurden noch am Zaun sofort nach Marokko zurückgeschoben. Oft kommt es vor, dass sie in Marokko anschließend krankenhausreif geschlagen werden, danach können sie aber keine Krankenhäuser oder Arztpraxen aufsuchen (hd, ffm-online.org).

Tag 2: 100 subsaharische Flüchtlinge umschwimmen am 18.09.2013 um 7 Uhr die EU-Grenzzäune

Hier ein Artikel auf Spanisch.

Projekt Watch the Med

Cobra-Einsatz in Schubhaft: „Kommunikative Fehler“

Artikel auf derStandard.at:

Vor dem harten Cobra-Einsatz gegen einen Iraner in der Familienschubhaft versuchte ein Linzer Pastor vergebens, die Eskalation abzuwenden. Die Polizei habe auch auf seine Bitten nicht reagiert

Wien – Dem Cobra-Einsatz mit Intensivstationsfolgen gegen den Iraner Mohammad Reza K. (47) in der Familienschubhaft in der Wiener Zinnergasse gingen längere telefonische Vermittlungsversuche von Nader Chaharlangi voraus, einem leitenden Pastor der Linzer Iranischen Christengemeinde. Im STANDARD-Gespräch erinnert er sich an das Scheitern seines Deeskalationsversuchs.

Herrn K. kenne er aus Linz, wo die Familie bis Juli gelebt hatte. Als Freikirchenmitglieder seien sie Teil der Gemeinde gewesen. Am 29. Juli habe ihn K. aus der Zinnergasse am Handy angerufen, wo die Familie bis dahin im gelinderen Mittel war: Die Fremdenpolizei habe eben mitgeteilt, dass die Rückschiebung nach Italien am nächsten Morgen geplant sei.

„K. bat mich, mit den Polizisten zu sprechen, ob nicht doch ein Aufschub bis nach dem Operationstermin seiner Frau möglich wäre, der für den übernächsten Tag angesetzt war“, sat Chaharlangi: K.s Ehefrau, Shabnam J. (44), litt an einer massiven Vergrößerung der Schilddrüse; inzwischen hat sie die OP hinter sich.

Eskalation der Situation

„Ich schlug dem Fremdenpolizisten vor, einen Arzt zu rufen, um Frau J. zu untersuchen. Er antwortete, Herr K. müsse erst in die Schubhaft gehen. Das richtete ich diesem aus, doch er sagte, dann würde kein Arzt kommen. Die Polizei wisse ohnehin von der geplanten OP. Ich bat den Polizisten nochmals um Aufschub. Er erwiderte, Herr K. begehe Widerstand gegen die Staatsgewalt, so er nicht in die geschlossene Abteilung komme“ , schildert Chaharlangi.

Nach Ende des Telefonats eskalierte die Situation, laut Polizeikreisen weil K. seine Frau, mit einem Messer in der Hand, als Geisel nahm. Daher habe man die Cobra holen müssen. Dem widerspricht Mohammad K.: Messer habe er keines gehabt, der Sondereinheit-Einsatz, im Zuge dessen er einen Nasenbeinbruch und Schädelprellungen erlitt, sei grundlos erfolgt. Die Fremdenpolizei sei sehr zornig auf ihn gewesen.

Parlamentarische Anfrage geplant

„Kommunikativ hat die Fremdenpolizei alles falsch gemacht“, kommentiert Heinz Patzelt, Generalsekretär vom Amnesty in Österreich, den inzwischen bei der Staatsanwaltschaft Wien anhängigen Fall. Er ortet Menschenrechtsverstöße: „Die Durchsetzung einer bürokratischen Anordnung wie ein Rückschiebeauftrag darf nicht auf Kosten eines bevorstehenden wichtigen OP-Termins gehen.“

Zudem zeige der Fall erneut „die Absurditäten des EU-Dublin-II-Systems“, ergänzt Grünen-Menschenrechtssprecherin Alev Korun. Nur wegen diesem müssten die K.s nach Italien, „dabei könnte ihr Asylverfahren in Österreich stattfinden“. Korun plant eine parlamentarische Anfrage.

(Irene Brickner, DER STANDARD, 14./15.9.2013)